1. Klimakongress Rems-Murr: Miteinander.Handeln.Jetzt.

Herzlichen Dank an Markus Koch, das Klimabündnis Rems-Murr und Nachhaltiges Kernen e.V. für die hervorragende Organisation: „Kommunale Energiewende und Bürgerbeteiligung“, mit meinem Input durfte ich zum Gelingen des 1. Klimakongress Rems-Murr am 13. Mai 2023 in Winnenden beitragen.

  • Klimaschutz ist Teil des Gemeinwohls
  • Gemeinwohl ist mehr als Daseinsvorsorge, sondern es ist Ausdruck des Volonté Général
    • Wie setzt sich dieser zusammen?
    • Reicht hier die objektive Erkenntnis?
    • Oder braucht es Überzeugung? Dann braucht es gesellschaftlichen
    • Gibt es den Klimawandel oder nicht? European Perceptions of Climate Change (EPCC): Umfrage zur Existenz des Klimawandels (Stand 2016)Ja, ich denke, es gibt den Klimawandel 83 %
      Nein ich denke nicht, dass es den Klimawandel gibt 16%
      Weiß nicht 1%
    • Das klingt jetzt sehr wenig, war aber im Vergleich zu anderen Ländern sehr viel. In Norwegen sind z.B. 93 % der Überzeugung, dass es einen Klimawandel gibt.
    • Exkurs: Sprache ist Wahrnehmung. Deswegen spreche ich auch nie über Klimawandel, sondern in der Regel über Klimakrise.
  • Volonté Général: Gesellschaftlichen Diskurs und gesellschaftliche Bemühungen
  • Volonté Général und die kommunale Ebene
  • Nirgends lassen sich Menschen besser einbinden als in ihrer Kommune
  • Kommune: DIE politische Ebene mit den besten Akzeptanzwerten
  • Konkordanzdemokratie
  • Die Agenda von modernen Gesellschaften ist extrem umfangreich. Auf lokaler Ebene können diese am Besten runtergebrochen und verhandelt werden.
  • Transformation: Die neuen Formen von Arbeit, Produktion, Energieerzeugung, Dienstleistung und die Klimafolgenanpassung müssen zu den Gegebenheiten, zur Struktur und Identität der Regionen passen. (global betrachtet)
  • Stadt/Kommune als Faktor beim Klimaschutz und bei der Klimafolgenanpassung
    Städte tragen aktiv zum Klimawandel bei und sind gleichzeitig besonders stark von seinen Folgen betroffen (z.B. Starkregen)
    Tendenz steigend.
    • Bis 2030 wird ein städtischer Flächenzuwachs um weitere 1,5 Mio. Quadratkilometer prognostiziert
    • 2007: Erstmals lebte jeder zweite Mensch in einer Stadt
    • 2050: globaler Anteil der Stadtbevölkerung insgesamt 66%
    • In Ländern mit höheren Standards sind es mehr als 70%
    • Derzeit: 28 Megacities (über 10 Mio. Einwohnende), bis 2030 13 weitere Städte zu Megacities
    • Verstädterungstendenzen in suburbanen Randgebieten
    • Den höchsten Verstädterungsgrad der Flächenstaaten wiesen Nordrhein-Westfalen mit einem Anteil von 71,6 Prozent der Bevölkerung, das Saarland (61,4 Prozent) und Hessen (52,3 Prozent) auf. Baden-Württemberg lag mit 45,7 Prozent bereits unter dem Bundesdurchschnitt.
    • Städte als Faktoren für die Klimakrise – aktuelle Studien: ca. 78% des globalen Energieverbrauchs sowie mehr als 70 % der globalen CO2 Emissionen
    • Flächendimension: Zuwachs europäischer Städte speist sich in knapp 90 % der Fälle aus der Konversion von Acker-, Weide- und Waldfläche.
    • Die Beschaffenheit unserer Städte hat enormen Einfluss auf ihre Rolle beim Klimaschutz UND bei ihrer Reaktion auf die Klimafolgen
  • Stadtklima
    • Makroskalige Aspekte
      • Geografische Breitenlänge, bzw. Klimazone
      • Europa ist meteorologisch der Hotspot der Klimakrise. Extreme Dynamik, stärker als andere Kontinente: Die Temperaturen in Europa sind in den letzten 30 Jahren mehr als doppelt so stark gestiegen als im globalen Durchschnitt – so stark wie auf keinem anderen Kontinent der Erde.
      • Oberflächenformen und Beschaffenheit
      • Entfernung zu großen Wasserkörpern
    • Meso- /Mikroskalige Aspekte
      • Stadtgröße
      • Einwohnerzahl
      • Urbane und rurale Flächennutzung
      • Blaue und grüne Infrastruktur, insgesamt naturnahe Flächen
      • Bebaute und Versiegelte Flächen, Frischluftschneisen haben direkte Wechselwirkungen mit stadtklimatischen Prozessen
      • Struktur des Stadtkörpers (Materialien, Oberfläche…)
      • Besondere Rolle der Stadtplanung
  • Warum die Stadt/Kommune als wichtiger Akteur in Sachen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung?Klimakrise ist auch ein kommunales Politik-Problem!
  • Städte sind die geeigneten Politik-Arenen, um erfolgreichen Klimaschutz zu betreiben:
    • Besondere Möglichkeiten, Menschen mitzunehmen und zu beteiligen
    • Mehrebenen System (multi-level-governance): komplexe Beziehungsgefüge verschiedener horizontaler sowie vertikaler politischer Entscheidungsstrukturen.
      Das ist Teil unseres modernen politischen Systems und trägt der Komplexität dieser Welt Rechnung.
    • Kommunale Ebene vernetzt sich, auch global:
      • Seit 1993: World Mayors Summit on Climate Change; letzter Kongress war im Okotber 2022
      • Pakt von Amsterdam: Städteagenda für die EU (2016)
      • 70 % der europäischen Reglungen betreffen Städte direkt
      • Das Klima-Bündnis ist ein 1990 gegründetes Netzwerk von Städten, Gemeinden und Landkreisen, die sich verpflichtet haben, das Weltklima zu schützen. Die fast 2.000 Mitglieder aus mehr als 25 europäischen Ländern. Rems-Murr-Kreis hat erst neulich für „Bike&Work“ den Climate-Star-Award gewonnen.Aber es macht auch Entscheidungsprozesse komplex, langwierig und schwierig.
      • Bürokratieabbau auf Landesebene; die wenigsten Gesetze sind von den Ländern gemacht. Beispiel § 3a Umsatzsteuergesetz
  • Klimafolgenanpassung ist eine kommunale Entscheidung, z.B. Klimagerechte Stadtplanung, klimaangepasster Städtebau, Flächennutzungsplanung, Bebauungsplan
  • Aber natürlich spielen die anderen politischen Ebenen hier eine zentrale Rolle, weil sie den Rahmen setzen, in dem sich die Kommunen bewegen:
    • Ordnungsrecht und Förderpolitik
  • Was macht das Land Baden-Württemberg aktuell:
    • Letzter Umweltausschuss: Vortrag des Klimasachverständigen-Rates
      • Der Klima-Sachverständigenrat ist im Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg in Paragraf 17 verankert. Im Dezember 2021 hat das Kabinett erstmals sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die erste Berufungsperiode (fünf Jahre) berufen.
    • Das Klimaschutzgesetz ist 2013 in Kraft getreten.
      Im Jahr 2020 wurde es erstmalig umfassend weiterentwickelt.
      Im Herbst 2021 hat der Landtag eine weitere Novelle verabschiedet.
    • Am 1. Februar 2023 hat der Landtag von Baden-Württemberg das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg verabschiedet.
    • Mit diesem Gesetz wird das Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg aus dem Jahr 2013, das in den Jahren 2020 und 2021 novelliert wurde, fortentwickelt.
    • Das ist das modernste und umfassendste Klimaschutzgesetz eines Flächenlandes. Aber – es ist auch erkämpft.
      • Klimaschutz- und Projektionsbericht alle drei Jahre
        Wird dabei festgestellt, dass die Ziele (voraussichtlich) nicht erreicht werden können, enthält der Bericht zudem eine Analyse der Ursachen und der betroffenen Ebene wie Bund oder Land. Außerdem beinhaltet er zusätzlich vorgeschlagene Maßnahmen, um die Zielvorgaben noch zu erreichen.
      • Im Klima-Maßnahmen-Register sind rund 250 konkrete Maßnahmen und Instrumente enthalten, mit denen das Land sein Klimaziel für 2030 erreichen will.
        • Bis zum 8. Mai 2023 konnten die Menschen in Baden-Württemberg über das Bürgerbeteiligungsportal des Landes das KMR kommentieren und auch eigene Maßnahmen einbringen.
        • Klimavorbehalt bei Förderprogrammen: Förderprogramme des Landes sind bei erstmaligem Erlass, ihrer Fortschreibung oder Änderung auf die Vereinbarkeit mit dem Zweck des Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes und den Klimaschutzzielen zu prüfen. Im Ergebnis sollen schrittweise Subventionen mit nachteiligen Folgen für das Klima abgebaut und beendet werden. à Kommunen sind vor allem die Adressatinnen von Förderung
          • Viele Förderprogramme direkt für Kommunen, z.B. Starkregenkartierung, KLIMOPASS: Dazu wird die Erarbeitung von Klimaanalysen, Verwundbarkeitsuntersuchungen, Anpassungskonzepten, Planungsgrundlagen sowie Machbarkeitsstudien gefördert.
          • Umsetzung investier Anpassungsmaßnahmen, wie die Installation öffentlich zugänglicher Trinkwasserspender in stadtklimatischen Hotspoträumen, die Möblierung in hitzegeschützten Bereichen oder entsprechender Modellprojekte.
    • Alle Gemeinden, Städte und Landkreise müssen ihre Energieverbräuche jährlich in einer vom Land bereitgestellten elektronischen Datenbank erfassen. Ziel ist, in der Folge den kommunalen Energieverbrauch zu senken und insbesondere die Liegenschaften energieeffizienter zu betreiben.
    • Verpflichtende Kommunale Wärmeplanung ab Große Kreisstadt
      Die kommunale Wärmeplanung umfasst eine Bestandsanalyse zum Wärmebedarf und zur Versorgungsstruktur sowie eine Analyse der vorhandenen Potenziale zur Wärmeversorgung mittels erneuerbarer Energien. Darauf aufbauend erstellen die Kommunen ein Szenario für eine klimaneutrale Wärmeversorgung im Jahr 2040. Außerdem wird eine Strategie entwickelt, wie dieser Umbau gelingen kann und wie die Prioritäten zu setzen sind.
    • verschiedene Pflichten zur Installation von Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung vor:
      beim Neubau von Nichtwohngebäuden (ab 1. Januar 2022)
      beim Neubau von Wohngebäuden (ab 1. Mai 2022)
      bei einer grundlegenden Dachsanierung eines Gebäudes (ab 1. Januar 2023)
      beim Neubau von Parkplätzen mit mehr als 35 Stellplätzen (ab 1. Januar 2022)
    • Klimamobilitätspläne
      Gemeinden, Städte und Landkreise können Klimamobilitätspläne aufstellen. Mit Hilfe dieser Pläne sollen die Kommunen ihre Treibhausgasemissionen im Mobilitätsbereich dauerhaft senken.
      Stuttgart ist Modellkommune: Die Landeshauptstadt wird als eine von fünf Kommunen in Baden‐Württemberg bis Ende 2022 modellhaft einen Klimamobilitätsplan erstellen. Bis 2030 sollen damit die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich um mindestens 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 2010 reduziert werden.
    • Landesflächenziel: Beim Klimaschutz kommt es ganz wesentlich auf den Ausbau und die Nutzung der erneuerbaren Energien an. Mindestens zwei Prozent der Landesfläche müssen für Photovoltaik-Anlagen und Windenergieanlagen vorgehalten werden. Nach den Planungsvorgaben des Bundes entfallen 1,8 Prozent der Fläche im Südwesten auf die Windenergie. Diese stellen eine Mindestvorgabe dar und können im Interesse des Klimaschutzes auch überschritten werden.
      Flächennutzungspläne der Regionen.
  • Land unterstützt die Kommunen auch beratend:
    Die KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg als zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zum Klimaschutz in Baden-Württemberg. Sie wurde im Jahr 1994 gegründet und ist seit 2017 eine 100-prozentige Tochter des Landes.Kompetenzzentrum Kommunaler KlimaschutzBerät auch bei Bundesförderungen, z.B. bei Klimaschutzmanager*innen 

    partizipationsparadoxeeeeeDer Bund unterstützt im Rahmen der Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten im kommunalen Umfeld (Kommunalrichtlinie) auch die Stelle eines Klimaschutzmanagements für bis zu fünf Jahre. Diesen Klimaschutzmanagerinnen und -managern kommt eine zentrale strategische Rolle bei der Umsetzung kommunaler Klimaschutzkonzepte zu.

Bürgerbeteiligung findet vor allem auf kommunaler Ebene statt!

  • Überschaubare Personengruppe
  • Konkrete Maßnahmen
  • Direkte Gestaltungsmöglichkeiten
  • Gute Akzeptanzwerte
  • Klimaschutz ist ein Quell lokaler Wertschöpfung und ein Standortfaktor
  • Gesellschaft muss den Klimaschutz tragen à Volonté Général
  • Bürgerbeteiligung ist eines der Elemente, damit sich dieser ausbilden kann.
  • BB in einer modernen Gesellschaft ist nicht nur „top down“ oder „bottom up“
  • Wie gestalten wir Diskurs, wie beteiligen wir Menschen am Klimaschutz und an der Energieerzeugung?
  • Windräder auf kommunal verpachteten Flächen – Kommunikation über die Benefits
  • Aufbrechen des Partizipations-Paradox

Quelle: https://www.buergergesellschaft.de/mitentscheiden/grundlagen-leitlinien/grundlagen/zukunft-der-buergerbeteiligung/

  • Kulturwandel in der Kommunalpolitik: Bürgerbeteiligung als integraler Teil:
    • Kommunalpolitik muss nicht nur Voten anerkennen (geringeres Problem), sondern die macht der Bürgerschaft insgesamt
    • Selbstverständnis der Kommunalpolitik; „zivile Macht“ verwalten, managen, fördern, kanalisieren à Moderation öffentlicher Diskurse
    • Förderung von bürgerschaftlichem Engagement:
      • Vereine
      • Lose und projektbezogene Gruppierungen
      • Förderung von Beteiligungsstrukturen, „Demokratielernen“, z.B. in Schulen und Kitas. Best Practice „Der Schülerhaushalt“

Literatur:

Nanja Nagorny-Koring: Kommunen im Klimawandel, Best Practices als Chance zur grünen Transformation?; Urban Studies, transcript Verlag Bielefeld 2018

Wolfgang Oels: Democracy for Future, Das demokratische Update zur Klimawende, oekom Verlag, München 2021

Patrizia Nanz, Charles Taylor, Madeleine Beaubien Taylor: Das wird unsere Stadt, Bürger:innen erneuern unsere DemokratieEdition Körber, Hamburg 2022

Sascha Henninger, Stephan Weber: Stadtklima, Verlag Ferdinand Schöningh 2020

PDF zum Download:

2023-05-13 Vortrag Klimakongress