Warum sich Sandro Mattioli, Autor von „Germafia“, mehr Ermittler mit Wadenbeißermentalität wünscht

Das Interesse an Sandro Mattioli war riesig, für dich hier unsere Pressemitteilung: „Sie wollen unterm Radar bleiben“, die Einschätzung des Mafia-Experten Sandro Mattioli prägt sich ein. Am Dienstagabend las der Vorsitzende des Vereins mafianeindanke aus seinem neuen Buch „Germafia. Wie die Mafia Deutschland übernimmt” im vollbesetzten Schwanen-Saal in Waiblingen. Rund 200 Interessierte, darunter viele jüngere Menschen, waren der Einladung der Grünen Landtagsabgeordneten Swantje Sperling gefolgt und stellten im Anschluss an die Lesung viele Fragen, die zeigen: Im-Rems-Murr-Kreis ist der Wunsch nach Aufklärung und Bekämpfung der organisierten Kriminalität groß.

Kaum im Mai 2024 erschienen, stürmte Germafia die Spiegel-Bestsellerliste. Jahrelange Recherchen flossen in das Buch ein: Interviews mit Ermittlern und Angehörigen von Mafia-Opfern, Treffen mit Kronzeugen und Staatsanwälten. Heraus kam ein 364 Seiten umfassendes Werk, das tief in die Machenschaften der Mafia eintaucht. Eine wichtige Erkenntnis: Mafiosi kommen sympathisch daher. Der Grund: „Sie wollen Netzwerke aufbauen“.

Spannend waren die vier von knapp siebzig Kapiteln, aus denen Mattioli vorlas: Was es etwa für Luigi Bonaventura bedeutet, sein altes Leben als ‘Ndrangheta-Boss zu verlassen und Kronzeuge zu werden – eine für die ganze Familie nicht nur äußerst schwierige, sondern auch gefährliche Situation. „Er kann nie sicher sein, ob seine Familie nicht im Visier ist“, berichtet Mattioli.

Den früheren Clan lernen die Zuhörer im Kapitel „Der Tisch der Harten“ kennen, den Patriarchen, die Unsichtbaren, den Fußballer, wer ihm den Rücken frei hielt oder wer für den Drogenhandel zuständig war – eine Parallelwelt, die über Leichen geht. Zu sehen ist auch der Vater, der nach Luigis Ausstieg zwei Mal versucht, seinen Sohn zu töten.

Das Buch und auch die Lesung beginnen indessen früher: Als sich Mattioli 2008 als junger Journalist an die Fersen von Mario L. heftet, im Buch Mario Luttini genannt – Mattioli hat die Nachnamen der Akteure verändert, um keine rechtlichen Schwierigkeiten zu bekommen. „Der mutmaßlich wichtigste Mafioso Stuttgarts wirkte umgänglich, harmlos, wie eine dieser Personen, die man ohne zu zögern nach dem Weg fragt.“

Nach der knapp einstündigen Lesung blieb eine gute Stunde Zeit für Fragen. Mattioli hatte im Kapitel „Der Berater“ erzählt, wie leicht sich Falschgeld in sehr großem Ausmaß drucken lässt, von 10 Milliarden ist die Rede, daher die Frage, ob es nicht schwierig sei, so viel Geld in Umlauf zu bringen. Die Zahl relativiere sich bei den 200 Milliarden Jahresumsatz der ‘Ndrangheta, erklärt der Experte.

Mario L. treibt die Menschen um, das wird auch in der Fragerunde deutlich; Mattioli sieht das kritisch: „Es gibt viele Mario L.“. Es wäre gut, mehr über die anderen Tausend Mafioso zu sprechen. Deutschland sei zwar schlechter aufgestellt als Italien, wenn es um die Verfolgung ihrer Verbrechen geht, doch „man könnte heute schon mehr dagegen tun“. Ein Punkt, an dem sein Verein mafianeindanke ansetzt, indem er aufklärt, sensibilisiert und für Verbesserungen der rechtlichen Möglichkeiten sorgt.

Es brauche „mehr Ermittler mit Wadenbeißermentalität“, fordert Mattioli; außerdem ist „follow the money“ für Mattioli eine einfache und schnell wirksame Methode gegen die Mafia. Politisch sieht er einiges in Bewegung, z.B. in Form einer Antimafia-Konferenz im Bundestag. Swantje Sperling betonte, dass dieses Thema von der grünen Landtagsfraktion intensiv bearbeitet wird, unter anderem setzt sie sich gemeinsam mit ihrem Kollegen Peter Seimer für eine „Task Force Geldwäsche“ ein.