Demokratie in der Zerreißprobe – Tübinger Experte analysiert Amerikas politischen Ausnahmezustand

Eine beeindruckende Resonanz fand meine Veranstaltung „Amerika zwischen Angst und Hoffnung“ in der Alten Kelter Winnenden. Mit dem renommierten Tübinger Amerikanistik-Professor Dr. Michael Butter analysierten wir die bedrohlichen Entwicklungen in den USA. Hier die ausführliche Pressemitteilung dazu: Die amerikanische Demokratie steht an einem gefährlichen Wendepunkt. Diese alarmierende Diagnose stellte der Tübinger Amerikanistik-Professor Dr. Michael Butter, sichtlich besorgt, bei einer stark besuchten Veranstaltung in der Alten Kelter Winnenden. Auf Einladung der Grünen-Landtagsabgeordneten Swantje Sperling analysierte der Experte die bedrohliche Entwicklung der US-Politik unter Trump.

„Wir erleben gerade, wie eine Weltmacht abdriftet und dabei unsere gemeinsamen demokratischen Werte gefährdet“, warnte Sperling vor den 80 anwesenden Bürgerinnen und Bürgern. Die enge Verflechtung Deutschlands mit den USA mache diese Entwicklung besonders brisant. „Die Allianz der breitbeinigen Männer wird stärker. Trump stärkt auch hierzulande rechtsnationale Parteien, und in den sozialen Medien werden die Menschen immer ungehemmter“, so Sperling. Insbesondere der harte protektionistische wirtschaftspolitische Kurs Trumps schädige nicht nur die amerikanische Wirtschaft, sondern treffe Baden-Württemberg als Innovations- und vor allem Exportregion besonders hart.

Butter, Professor für Amerikanistik, der auch zu Verschwörungstheorien forscht, zeigte auf, wie Trump die Lüge der „gestohlenen Wahl“ strategisch instrumentalisiert: „Er bedient gezielt Wut und Ressentiments.“ Besonders besorgniserregend sei das Tempo der Entwicklung. „Die USA steuern auf eine Verfassungskrise zu, wenn richterliche Anordnungen systematisch ignoriert werden.“ Noch bedrohlicher sei die Perspektive eines möglichen Nachfolgers: „JD Vance ist ein Opportunist, der bislang ohne jeglichen Skrupel oder Zögern agiert hat. Gleichzeitig besitzt er als Yale-Absolvent die Bildung und Kenntnis, seine radikale Agenda durchsetzen zu können.“


Bild: Franzi Krämer Fotografie

Die demokratischen Gegenkräfte zeigten sich bisher überfordert. „Die Menschen fühlen sich in ihren Ängsten und Nöten nicht abgeholt, wenn die demokratische Kandidatin Harris gemeinsam mit dem Superstar Taylor Swift auftritt“, kritisierte Butter die Strategien der Demokraten. Biden sei zu alt für eine zweite Amtszeit gewesen und Harris bereits vor der Wahl als Vizepräsidentin verbrannt. Der „American Dream“ als traditionelles Aufstiegsversprechen habe seine Zugkraft verloren. „Die Ängste der amerikanischen Mittelschicht vor dem sozialen Abstieg sind real. Während Trump diese nur populistisch ausnutzt, braucht es konkrete Politik für soziale Sicherheit die diese Ängste nimmt“, betonte Butter.

Die anschließende eineinhalbstündige Diskussion zeigte, wie sehr die autokratische Wende in den USA die Bürgerinnen und Bürger im Rems-Murr-Kreis bewegt. Eine Stuttgarter Englischlehrerin berichtete eindrücklich, wie Amerika für ihre Schüler heute nicht mehr das Land der Träume sei wie noch vor zwanzig Jahren.
Die Wahlkampfstrategie von Kamala Harris mit einseitiger Joy-Kampagne für Optimismus, Hoffnung und positive Energie greife ebenso zu kurz wie im deutschen Bundestagswahlkampf die demonstrative Nüchternheit eines Olaf Scholz, analysierte Sperling. „Politik muss die Menschen in ihrer ganzen Gefühlswelt ernst nehmen – mit ihren Ängsten, ihrer Wut aber auch ihren Hoffnungen. Nur wer die Menschen wirklich versteht, kann sie auch erreichen“, so die Landtagsabgeordnete.


Bild: Franzi Krämer Fotografie

Trumps großes Versprechen „Make America Great Again“ sei derzeit gescheitert, bilanzierte Butter: „Den Menschen geht es wirtschaftlich nicht besser, seine Zollpolitik schadet den USA mehr als sie nutzt. Nach aktuellen Umfragen würde Trump eine Wahl heute verlieren.“

Es gebe aber auch das andere Amerika, betonte Butter, und verwies auf die großen Demonstrationen gegen Trumps Politik wie den „Women’s march on Washington“. Es bleibe abzuwarten, ob sich diese auch in seiner zweiten Amtszeit wiederholen würden und ob die Demokraten einen effektiveren Weg finden, eine starke Opposition zu entwickeln. Hoffnung in den bilateralen Beziehungen mache laut Butter die starke föderale Struktur der USA. Was Mut mache, seien die relativ starken Einzelstaaten der USA, mit einigen von ihnen gibt es enge wirtschaftliche und wissenschaftliche Verbindungen nach Baden-Württemberg, betont Sperling: „In der Klimapolitik etwa zeigt Kalifornien als Partner Baden-Württembergs in der ‚under2coalition‘, dass progressiver Klimaschutz möglich ist.“


Bilder: Franzi Krämer Fotografie